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Worte | Werte | Meinungen

Erfolg ist deine Entscheidung.

Rückblickend betrachtet habe ich die Grundzüge der Postwachstumsökonomie in meiner Kindheit gelernt. Nicht mal zwei Wochen, nachdem sich im Kernkraftwerk Tschernobyl der folgenschwerste Unfall in der Geschichte der friedlichen Nutzung der Kernenergie ereignete, wurde ich im damaligen Ost-Berlin geboren. Glücklicherweise an einem erfreulicheren Datum, nämlich am Jahrestag des Sieges über den Faschismus. Vor allem durch meine Großeltern, die handwerklichen Berufen nachgingen, kam ich frühzeitig mit Verhaltensweisen in Kontakt, die Charles Eisenstein später als Ökonomie der Verbundenheit bezeichnete: dem achtsamen Umgang mit Mensch und Materie, der möglichst langen Nutzung von Dingen, dem Verstehen von Technik und ihrer Reparatur sowie insgesamt einem möglichst suffizienten Lebensstil. So konnte ich als Kind bereits Erfahrung im nachhaltigen Handeln sammeln, obwohl der Begriff „Nachhaltigkeit“ damals noch nicht benutzt wurde. Obschon diese Werte wesentlich durch die Ereignisse des Krieges sowie in der späteren DDR geprägt waren, haben sie heute eine größere Relevanz als je zuvor. Dass auch auf gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Ebene aus der ökonomischen Praxis der DDR einiges gelernt werden kann, zeigen z.B. entsprechende Publikationen ehemaliger Kombinatsdirektoren.

Während meiner Gymnasiums- und späteren Studienzeit im Bereich Musik änderte sich mein Fokus und ich konzentrierte mich darauf, meine eigenen Fähigkeiten (weiter) zu entwickeln. Es gab Zeiten, in denen ich in sechs Bands gleichzeitig spielte, um damit meine Lebenshaltungskosten decken zu können. Trotz sehr viel Übens und Engagements reichte es dafür jedoch oftmals nicht und ich musste mich nach Alternativen umschauen. Einerseits waren dies Nebenjobs – so trat ich z.B. als studentische Aushilfe als Straßenbahnfahrer in die Fußstapfen meines Opas, der bei der Berliner S-Bahn gearbeitet hatte – und andererseits die Begrenzung meiner laufenden Kosten auf ein Minimum. Während einer mehrmonatigen Tour mit den 12 Tenören hatte ich viel Gelegenheit, mich mit alternativen Ökonomien zu beschäftigen und durch das Führen eines Video-Tourtagebuchs praktische Erfahrung in der Videoproduktion zu sammeln. So stieß ich in Rafael Fellmers Buch „Glücklich ohne Geld“ auf die Initiative Foodsharing und wurde in der Folge Botschafter in Potsdam sowie für das Bundesland Brandenburg. Damit einher gingen eine Reduktion der Ausgaben für Lebensmittel auf nahezu Null, eine große Variation auf dem Speiseplan sowie eine erneute Hinwendung zu den o.g. Werten.

Hierbei entstand im Potsdamer Familiencafé Madia die Idee von Havelmi. Daraus wurde mit Unterstützung meines Studiums der nachhaltigen Unternehmensführung, der Gründungsförderung Lokalhelden, eines gelungenen Crowdfundings sowie zahlreicher ehrenamtlicher Helfer das spätere gleichnamige Unternehmen. Ein wesentlicher Erfolg als Gründer und geschäftsführernder Vorstand war für mich dabei die Verknüpfung von Studium und Gründung, das in meiner Masterarbeit mündete. Als Praxisbeispiel des Vergleiches von Postwachstums- und Gemeinwohlökonomie bilanzierte ich hierbei das eigene Unternehmen nach der GWÖ und erreichte ein gutes Ergebnis von 438 Punkten. Neben der Geschäftsführung waren es vor allem die praktische Arbeit an den Maschinen und die Prozessoptimierung, umfangreiche Presseinterviews sowie zahlreiche Workshops, die ich als prägend empfinde. Nach zwei Jahren eigener Produktion mit rund 500.000 produzierten Flaschen Haferdrink, einem Umzug aus der Mostmanufaktur Havelland nach Brandenburg an der Havel mussten wir aufgrund der Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf den Bio-Lebensmittelmarkt das laufende Geschäft im September 2022 leider vorerst einstellen. Die Struktur der Genossenschaft bot dabei die Möglichkeit, zum Ende der dreijährigen Wahlperiode als Vorstand zurückzutreten und mitsamt der 12 Mitarbeiter*innen das Unternehmen zu verlassen, um einem neuen Team das Ruder zu übergeben.

Seitdem kann ich die Postwachstumsökonomie auch wieder mehr in mein persönliches Leben integrieren. Einerseits arbeite ich in Teilzeit als Gründungsberater beim Startup Service der Universität Potsdam und unterstütze andererseits insbesondere KMU und Bildungseinrichtungen mit meinen Erfahrungen und meinem Rat als Referent und Unternehmensberater.